FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: Die EU-Kommission schlägt vor, künftig die Haushalte ihrer Mitgliedsstaaten stärker zu kontrollieren - und Schuldensünder abzustrafen. Für Deutschland geht es nun um schwerwiegende Fragen: Will Berlin harte Regeln gegen Defizitsünder - oder einen Austritt aus der Währungsunion? Werner Mussler kommentiert.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat bei der Präsentation seiner Reformvorschläge für den Euro-Raum einen bemerkenswerten Satz gesagt: Wer die (wirtschafts-) politische Union nicht wolle, solle auch die Währungsunion vergessen, so Barroso sinngemäß. Ihm war wohl nicht bewusst, dass die Bundesbank mit genau diesem Argument Anfang der neunziger Jahre vor einer Einheitswährung gewarnt hat – und dass sich aus seiner Analyse ein Schluss ziehen lässt, der seinen Forderungen komplett widerspricht. Die Währungsunion könnte deswegen vor dem Scheitern stehen, weil die Mitgliedstaaten diese politische Union nicht wollen.
Jedenfalls ist die damals von der Bundesbank verfochtene „Krönungstheorie“, wonach eine Währungsunion erst am Ende eines langen wirtschaftlichen Annäherungsprozesses und nach Inkrafttreten einer politischen Union möglich ist, in der Euro-Krise wieder sehr aktuell geworden. Die Euro-Staaten, deren ökonomische Konvergenz wohl schon zu Beginn der Währungsunion nicht ausreichte, haben sich ökonomisch auseinanderentwickelt. Und der EU-Stabilitätspakt, der als eine Art Ersatz für die politische Union alle Euro-Staaten zu einer soliden Haushaltspolitik zwingen sollte, war eine große Selbsttäuschung. Schon in seiner ersten Bewährungsprobe, als ihn Deutschland und Frankreich nicht mehr einhalten konnten, wurden seine Regeln aufgeweicht.
Die heutige Schuldenkrise geht nicht nur auf die Finanzkrise zurück, sondern auch auf diese Aufweichung. Jeder Mitgliedstaat kann seither darauf setzen, dass seine Schulden sozialisiert werden. Der jetzt beschlossene Rettungstopf für überschuldete Euro-Staaten ist die fast logische Konsequenz. Die Währungsunion ist endgültig eine Haftungs- und Transferunion, die Sparanreize für schlecht haushaltende Mitgliedstaaten bleiben gering und kommen zu spät. Wenn das so bleibt, hat der Euro keine Zukunft. Eine richtige Analyse - handwerklich miserabel umgesetzt >>> Werner Mussler | Freitag, 14. Mai 2010