NZZ ONLINE: Kommentar zu Obamas Verzicht auf die Raketenabwehr in Ostmitteleuropa
Noch bleibt undurchsichtig, was genau zur Schubladisierung der amerikanischen Pläne für eine Raketenabwehr in Ostmitteleuropa geführt hat und ob Präsident Obama im Gegenzug etwas dafür in Russland herausgeholt hat. Sicher aber ist, dass diese Entscheidung eine markanten Änderung des amerikanischen Kurses bedeutet.
In der Regierungszeit von Obamas Vorgänger Bush hatten die Vereinigten Staaten die Entwicklung der Technologie zur Zerstörung gegnerischer Interkontinentalraketen ausserhalb der Erdatmosphäre noch mit aller Kraft vorangetrieben. Was in den achtziger Jahren als Idee à la «Star Wars» belächelt worden war, ist in der Zwischenzeit der technischen Reife recht nahe gekommen. 2004 nahmen die USA in Alaska ihre erste Abfangraketen-Basis in Betrieb; sie war Amerikas Antwort auf die Entwicklung nordkoreanischer Raketen mit immer längeren Reichweiten.
Die falschen Signale
Die Abwehrbasis in Polen und die dazugehörige Radarstation in Tschechien wurden analog dazu als Vorkehrungen gegen das islamistische Regime in Teheran projektiert. Angesichts der Fortschritte, die Iran beim Raketenbau und auf dem Weg zur Atombombe gemacht hat, erscheint die damalige Entscheidung auch heute noch als korrekt. Obama hat sich denn auch nicht völlig davon losgesagt, sondern nur eine Warteschlaufe angeordnet. Falls die iranische Bedrohung im nächsten Jahrzehnt akut wird, wie manche Geheimdienste annehmen, so wird kein amerikanischer Präsident – ob Demokrat oder Republikaner – zögern, die Raketenabwehrpläne wieder hervorzuholen. >>> Von Andreas Rüesch | Donnerstag, 17. September 2009