Das Weiße Haus verfolgt die weltweite Empörung über die Spähangriffe seines Geheimdienstes NSA in einer Mischung aus Arroganz und Ignoranz. Spione seien eben zum Spionieren da, andere Staaten würden doch auch schnüffeln, zudem mache Amerikas globaler Lauschangriff die ganze Welt sicherer, heißt es sinngemäß. Doch während der Präsident und die republikanische Opposition ihren Washingtoner Komödienstadel um Staatshaushalt, Schuldengrenze und Gesundheitsreform fortschreiben, vollzieht sich draußen in der Welt ein epochaler Wandel. Der wird, wenn nicht alles täuscht, zu einer Verschiebung der Kommunikationsknoten in unserer digitalisierten Welt führen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Die Enthüllungen des früheren CIA-Mitarbeiters Edward Snowden haben vor allem bei Verbündeten und Freunden Amerikas Entsetzen ausgelöst. In Mexiko und in Brasilien zeichnete die NSA die elektronische Kommunikation der Staatschefs Felipe Calderón und Dilma Rousseff mit ihren engsten Beratern auf. Dass ausgerechnet die politischen Führer der engsten Verbündeten und wichtigsten Partner Washingtons von der NSA ausspioniert wurden, hat das in ganz Lateinamerika ohnedies verbreitete Misstrauen gegen die Vereinigten Staaten zementiert. In Europa ist das mutmaßliche Abhören des Handys von Kanzlerin Angela Merkel zum Fanal für eine Bewegung in der gesamten EU zum besseren Schutz von Bürgerrechten und Privatsphäre im Cyberspace geworden. » | Von Matthias Rüb | Samstag, 26. Oktober 2013