Friday, December 17, 2021

Boris Johnsons Party ist vorbei

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: Bei einer Unterhausnachwahl verlieren die britischen Konservativen eine vermeintlich unbezwingbare Tory-Hochburg. Im Zuge der Affäre rund um Lockdown-Partys droht der einstige Erfolgsgarant Boris Johnson für die Tories zur nachhaltigen Hypothek zu werden.

Vom charismatischen Siegertyp zur Hypothek? Der britische Premierminister Boris Johnson befindet sich in einem Popularitätstief, wie die Wahlschlappe seiner Partei vom Donnerstag bestätigt. | Kirsty O'Connor / AP

KOMMENTAR

Der Wahlkreis North Shropshire in den englischen Midlands westlich von Birmingham gehört zu den Hochburgen der Konservativen Partei. Unter der ländlich geprägten Bevölkerung gibt es bis heute viele Landwirte, das Wahlvolk stimmte beim Brexit-Referendum von 2016 deutlich für den EU-Austritt, und der Anteil von Hausbesitzern ist hoch. Es kommt daher einem veritablen Überraschungscoup gleich, dass die Liberaldemokraten die Unterhausnachwahl in North Shropshire vom Donnerstag gewannen – und den Sitz damit erstmals seit 200 Jahren konservativen Händen entrissen.

Der liberaldemokratische Sieg fiel nicht einmal knapp aus. Die frischgebackene Abgeordnete Helen Morgan kam auf knapp 18 000 Stimmen – fast 6000 Stimmen mehr als der konservative Kandidat. Das bedeutet, dass der Wähleranteil der Tories im Vergleich zu 2019 um nicht weniger als 34 Prozentpunkte einbrach. Die Bezeichnung politisches Erdbeben stellt deshalb für einmal keine Übertreibung dar. Nur in sieben Urnengängen seit dem Zweiten Weltkrieg ist in Grossbritannien ein noch massiverer Umschwung in der Wählergunst registriert worden. » | Niklaus Nuspliger, London | Freitag, 17. Dezember 2021