Friday, May 11, 2012

Salafismus: Gewalttätige Gegenkultur

FRANKFURTER ALLGEMEINE: Die meisten muslimischen Gemeinden in Deutschland sind nach ethnischer Zugehörigkeit organisiert. Der Salafismus überschreitet diese Grenze - und viele andere auch.

Was Mitte der neunziger Jahre die Sicherheitsbehörden auf den Plan rief, ist nicht erst seit der Koranverteilaktion in deutschen Fußgängerzonen zum gesellschaftspolitischen Thema geworden: Innerhalb weniger Jahre hat sich der Salafismus zu einer Gegenkultur vornehmlich junger Erwachsener und Jugendlicher entwickelt, in der sich Weltflucht, saudi-arabische Missionierungspolitik und Ablehnung von Aufklärung und westlicher Zivilisation treffen. Der Bundesverfassungsschutz weist zu Recht auf die Verbindungen der salafistischen Szene zu internationalen Terrororganisationen vom Schlage Al Qaidas hin. Doch jenseits seiner Funktion als Ideologie zur Rechtfertigung religiöser Gewalt sollte der Erfolg des Salafismus in Deutschland vor allem als politisches Thema begriffen werden.

As-salaf as-salih - das ist die arabische Bezeichnung der „frommen Altvordern“. Gemeint sind damit die ersten drei Generationen der Anhänger Mohammeds, die als perfekte, islamische Gemeinschaft vorgestellt werden. Von ihnen leitet sich der Begriff Salafismus her. Salafisten folgen keiner der vier Rechtsschulen des Islam. Das trennt sie von den meisten anderen Islamisten. Koran und Sunna gelten ihnen als alleinige Quellen für das islamgemäße Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft. Ziel ist, dem perfekten Vorbild des Gottgesandten Mohammed nachzueifern: von Gebet und Kleidung über Familienleben und Sexualverhalten bis hin zu Essgewohnheiten und Zahnpflege. Abweichendes Verhalten gilt bereits als Anzeichen fehlgeleiteter Anbetung des einzigen Gottes. » | Von F. W. Horst* | Donnerstag, 10. Mai 2012

* Der Verfasser studierte Terrorismusforschung am Interdisciplinary Center Herzliya (IDC) und forscht über Salafismus am International Institute for Counterterrorism (ICT) in Israel.